Obwohl die New Yorker Hypebrand den Drittmarkt sowie die weltweite Streetwear Szene jahrelang dominierte, scheint es so, als wäre der Zauber so langsam vorbei.
Ganz ehrlich: wer von euch hat sich das letzte Mal an einem Donnerstag um 12 Uhr etwas bei Supreme bestellt? Wenn es euch ähnlich geht wie mir, ist der letzte Drop, den man einigermaßen euphorisch mitgemacht hatte, bereits Jahre entfernt. Doch wie kann es sein, dass eine der größten Streetwear Brands unseres Planeten, nicht mehr das zu sein scheint, wofür sie einmal berühmt war: eine rebellische Bewegung aus dem Untergrund, die als Uniform für eine komplette Generation an Streetwear und Skate Fans stehen sollte. Wir schauen auf die vergangenen Jahrzehnte mit Supreme und versuchen zusammen mit euch die Frage zu klären, ob Supreme weiterhin in den Kleiderschrank landen oder doch lieber in Vergessenheit geraten sollte.
New York’s finest
Die frühen 90er waren ein Segen für die weltweite Streetwear-Bewegung. Der Nowhere-Store öffnete 1993 seine Pforten, während die Surfmarke Stüssy immer mehr Fans abseits eines Surfboards erreichen sollte – und mitten in New York öffnete Supreme. Was damals lediglich ein Laden für die lokalen Skater zwischen Zoo York und Diamond Supply sein sollte, avancierte über die Jahre zum Geheimtipp unter Streetwear Fans und Skatern.
Was Supreme bereits seit diesen frühen Anfangstagen ausmachte, war die „Fuck You We Do What We Want“-Attitude, die kontroversen Prints auf den Shirts, fragwürdige Gadgets mit Supreme Branding sowie einen unterirdischen Service im Store. Dadurch entstand ein elitäres Denken bei allen Supreme Fans und verlieh der Marke einen geheimnisvollen aber auch gleichzeitig begehrlichen Ruf. Sobald man das Boxlogo auf einer 5-Panel, einem T-Shirt oder einem Schlüsselanhänger sah, wusste man, dass der Gegenüber nicht nur Ahnung, sondern auch die ganzen Strapazen auf sich genommen hatte, um ein Piece der New Yorker Skatebrand sein Eigen zu nennen. Eine Exklusivität, die vor allem nach den 2010er Jahren eine starke Wendung nehmen sollte.
Kollaborateure und die Spitze des Eisbergs
Supreme war nicht mehr ein einzelner Laden in New York, wo Touristen mit viel Knowledge Souvenirs für ihre Stores oder Freunde einkauften. Inzwischen gab es mehrere Stores in Europa, Asien und den USA. Einhergehend mit dem Wachstum der Brand wuchs auch der Schwarzmarkt rund um Fälschungen und Bootlegs von Supreme. Eine Zeit lang schien es fast so, dass vom Kaffee Laden ums Eck bis hin zum hiesigen Supermarkt alle das Boxlogo verschandelten, um ihren Teil des Hypes abzukriegen. Wir erinnern uns an Projekte wie den True Fruits Smoothie, der nicht einmal von Supreme kam und trotzdem geresellt wurde.
Kein Wunder, denn: Supreme war so heiß wie noch nie! Starke Partner wie Stone Island, Comme des Garçons oder The North Face festigten die Pole Position der Brand, während abstruse Items wie ein Ziegelstein oder eine Axt die Schlagzeilen sämtlicher Newsblogs füllten. Kleidungsstücke mit Boxlogo wurden zum Teil für das Zehnfache ihres Originalpreises veräußert und Campouts sowie Server-Crashs waren genauso alltäglich geworden, wie die Portrait-Shirts, Gore-Tex-Jacken und Schlüsselanhänger der Brand. Als dann LVMH für eine offizielle Kollaboration anfragte, sollte sich vieles ändern – nicht zwangsweise zum Besten.
Als 2017 Supreme mit Louis Vuitton eine komplette Runaway Kollektion vorstellte, war das zwar ein immenser Schritt für ein ehemals kleines Skatelabel aus New York, aber zum anderen auch eine fragwürdige Positionierung innerhalb der Szene. Zuvor war Supreme die Brand, die Skater ansprach, eingeweihte Streetwear Fans glücklich machte und große Modehäuser eher verarschte, als mit ihnen zusammenzuarbeiten. Was sollte man also von Supreme x Louis Vuitton Pieces denken, die weit über dem Retailpreis des regulären Supreme-Kunden hinausgehen – oder wie viele Skater kennt ihr, die mit einem 5.000 Dollar Bord einen Kickflip üben?
Auf einmal wurde Supreme von reichen Hypebeasts in Dubai, Richkids in St. Moritz und David Beckhams Sohn getragen. Keine Spur mehr von Rebellion, Street oder Referenzen zu wichtigen Künstlern. Die Teile wirkten mehr wie ein Fake vom Bazar und weniger wie der Highfashion Einstieg der Marke, die rund um Stüssy, Noah und Awake die Streetwear Szene für Jahre geprägt hatte. Mit dem wachsenden Mainstream Publikum verloren viele Fans das Interesse an der Marke. Als dann Supreme im Corona-Jahr 2020 für sensationelle 2,1 Milliarden Dollar komplett verkauft wurde, war das der Dolchstoß für viele der verbliebenen Fans.
Das Unternehmen war also verkauft, die Drops zum Donnerstag lange nicht mehr so exklusiv wie zuvor und der Geheimtipp wurde zum „most obvious thing“ für jeden, der eine Google-Suchmaschine bedienen konnte. Vor kurzem öffnete ein Supreme Store sogar bei uns in Berlin – eine Neuigkeit, die bereits seit fünf Jahren als Gerücht durch die Szene geisterte und vermutlich auch zu dem Zeitpunkt besser angekommen wäre als heute. Mehr als ein „nice to have“ hatten viele Fans nicht zu sagen, die weder zum Opening geladen waren noch am nächsten Tag versuchten verbliebene Berlin Boxlogos zu ergattern. Supreme ist 2022 definitiv nicht mehr so heiß, wie früher – doch wer sagt eigentlich, dass das etwas Schlechtes sein soll?
Wie haben wir uns doch geärgert, wenn nach 15 Sekunden der komplette Drop ausverkauft, die Resellpreise immens hoch und die Schlange vor den paar wenigen Stores unendlich lange war. Nun haben wir erstmalig in der fast 30-jährigen Geschichte von Supreme die Chance, unsere liebsten Pieces einfach zu kaufen. Kein Campout, kaum Resell und ewige Verfügbarkeit. Die Brand aus New York scheint einen ähnlichen Weg zu gehen wie Yeezy oder A Bathing Ape, die beide die Exklusivität ihrer Anfangstage hinter sich gelassen hatten, um stattdessen ein breites Publikum zu bespielen.
Und auch wenn es nicht gerade das kreativste Fashion Statement auf dem Markt ist, sollten echte Fans der Brand auch heute noch ohne schlechtes Gewissen ein Supreme Piece kaufen. Der Hype ist zwar gegangen, jedoch sind die Kleidungsstücke nach wie vor eine Blaupause für jedes Streetwear Label und in diesem Bereich nach wie vor unangefochten. Seien es Portrait Shirts mit Legenden wie Madonna, abartige Kunst á la Andres Serrano oder einzigartige Kollaborationen mit Partnern wie Junya Watanabe: Supreme macht immer noch das, was sie wollen! Sobald wir uns von dem Anspruch verabschiedetet haben, stets die exklusivsten und meist-gehypten Textilien zu tragen, fällt es sehr leicht, sich am aktuellen Output von Supreme zu erfreuen. Der Laden in Berlin ist ein längst überfälliges Flaggschiff für die Deutsche Szene und die Marke selbst, wird auch in den nächsten zehn Jahren nicht von der Bildfläche verschwinden.
Wenn ihr das ähnlich seht, lasst uns gemeinsam durch den Shop stöbern und Supreme Pieces für das feiern, was sie am Ende des Tages sind: die Speerspitze einer Skate-/Streetwear-Generation, die den Mainstream erobert und die Szene reformiert hat. Eine üppige Auswahl an Supreme Pieces findet ihr hier.