May 25, 2021

Der Air Max und die Technoszene

Pünktlich zum 30-jährigen Jubiläum der Modelle Nike Air 180 und Air Max BW haben wir uns mit dem Rave-Kollektiv PhonoVision aus Köln zusammengetan, um das kulturelle Erbe der Air Bubble in der Welt der Clubs, After Hours und steigenden BPM-Zahlen zu portraitieren.

Pünktlich zum 30-jährigen Jubiläum der Modelle Nike Air 180 und Air Max BW haben wir uns mit dem Rave-Kollektiv PhonoVision aus Köln zusammengetan, um das kulturelle Erbe der Air Bubble in der Welt der Clubs, After Hours und steigenden BPM-Zahlen zu portraitieren.

Text: Rami Eiserfey
Fotos: Gianni Charello
Styling + Outfits: Fabrik der Edlen

Wir schreiben das Jahr 1991 und in Deutschland findet eine buchstäbliche „Ravolution“ statt. Kurz nach dem Mauerfall entdeckt der Osten der Republik die Welt der Mode und der Musik gleichermaßen und erstmalig in ihrem Leben für sich. Ein Volk, das es gewohnt war, zu jedem Zeitpunkt überwacht zu werden und nur das zu tragen, was ihnen die kommunistisch geprägte Regierung vorgab, konnte zum ersten Mal in ihrem Leben dahin gehen, wohin sie wollten.

Im Zuge dessen wurden immer mehr Clubs eröffnet und illegale Raves in der ehemaligen DDR veranstaltet. Berlin wurde zur Techno-Hauptstadt, da Clubs wie der Tresor oder das legendäre Berghain ihre Pforten öffneten. Die Love-Parade avancierte zur millionenschweren Bewegung für Liebe und elektronische Musik und Sven Väth, Dj Hell oder Marusha zeigten der Welt, dass der beste Techno aus dem Land der Denker und Dichter stammt.

Der deutsche Raver revolutionierte das stellenweise noch sehr konservative Bild der Deutschen und zelebrierte die neugewonnene Freiheit in stillgelegten Bahnwaggons, auf dem Festival-Gelände und zu Hause am Plattenspieler. Der Style war wild, experimentierfreudig und mindestens genauso frei von Konventionen, wie seine Träger.

Ein Kredo, dass der Air Max BW und Air 180 zu 100% erfüllten. Das Timing hätte nicht besser sein können und die Air Bubble wurde zum Erkennungsmerkmal unter Ravern. Während in Hip Hop Kreisen vorwiegend Jordans und Air Force 1 getragen wurden, war der aggressive Look der Air Max Serie vor allem bei Techno-Anhängern zwischen Berlin und Rotterdam extrem angesagt. Die Schnürsenkel des Air Max BW wurden zum Karo-Muster geschnürt und in Gabba-Kreisen zum „Must-Have“ erklärt. Die Luftdämpfung eignete sich zudem sehr gut zum stundenlangen Tanzen in Clubs bis in die frühen Mittagsstunden. Nike wurde fester Bestandteil der Technoszene.

Wir spulen vor…

Es ist 2021 und die Techno-Branche leidet, wie alle anderen Genres, extrem an den Pandemie-Maßnahmen. Um unser aller Gesundheit zu erhalten, bleiben Clubs geschlossen, Festivals werden verschoben und der Geist des Raves scheint sich aufzulösen. Wir haben zusammen mit dem Kölner Techno-Kollektiv PhonoVision vier Bastionen der elektronischen Tanzmusik in Köln besucht und nostalgisch zurückgeblickt, auf 30 Jahre gelebte Techno-Ekstase – aus der Sicht der Air Bubble.

Lea – Gewölbe

Welche Verbindung hast du zu diesem Ort?

Das Gewölbe ist schon immer einer meiner Lieblingsclubs gewesen – auch vor dem ganzen DJ Business. Hier durfte ich eines meiner ersten Club-Debuts beim „Female only 24h-Rave“ zelebrieren, was leider auch die letzte offizielle Party nach dem ersten Lockdown im März 2020 war.

Was vermisst du am meisten beim Auflegen?

Ich vermisse ganz besonders die Dynamik und das direkte Feedback des Publikums – einfach die Clubatmosphäre. Zu Hause vor einer Wand zu stehen oder einen von tausenden Livestreams zu zocken ist damit einfach nicht zu vergleichen.

Obwohl die Technoszene keinen Look vorgibt und jeder Typ erlaubt ist, gibt es dennoch Eigenheiten, die diese Szene besonders machen. Womit verbindest du den typischen Raver?

Für mich gibt es nicht unbedingt den typischen Raver. Rave bedeutet in meinen Augen eine gewisse Toleranz für verschiedenste Personen, mit unterschiedlichen Styles und Musikpräferenzen, die alle an einem Ort – also im Club, Festivals, Raves eben – friedlich zusammenfinden und miteinander feiern.

Du trägst einen Schuh, der vor allem in Hard-Techno-Kreisen gefeiert wird – ist dein Sound eher soft oder auch straight und schnell?

Haha, sehr gute Frage! Mein Sound ist sehr divers und mal so, mal so. Es kann super soft und super sweet sein, aber im nächsten Moment komplett eskalieren. Aber genau das gefällt mir: ein bisschen mit den Zuhörer*innen zu spielen, ohne dass sie wissen, worauf sie sich eigentlich eingelassen haben.

Was hat sich in über 30 Jahren deutscher Raverkultur getan?

Die Ravekultur ist leider sehr langweilig geworden, fast schon schmierig. Außer in Berlin hast du es in Deutschland ziemlich schwer noch auf richtige Raves zu gehen. Die Clubs sind mir teilweise einfach viel zu clean und der Sound fragwürdig. Wenn man sich die 90er oder 2000er anschaut, war alles irgendwie noch sehr „easy going“, besonders was Party Locations, Fashion und Bookings anging. Die Leute haben nicht alles auf die Goldwaage gelegt und viel mehr ihr eigenes Ding gemacht. Das sieht man natürlich auch am Soundbild. Mir gefällt eben gerade die Roughness und Experimentierfreudigkeit der Produzent*innen elektronischer Musik von vor 20-30 Jahren, die heutzutage teilweise bewusst vermieden wird. Zum Glück ist PhonoVision auf einem guten Weg das zu verändern.

Johann – Heinz Gaul

Was ist hier passiert?

Wir sind an einer Baustelle, an der ehemals der Kölner Club Heinz Gaul stand.

Leider musste die Location weichen, damit die Stadt langweilige, monotone Bürogebäude errichten kann.

Köln Ehrenfeld, wie wir es kennen, geht allmählich vor die Hunde und verliert seine Seele.

Durch die Gentrifizierung verschwand nicht nur das Heinz Gaul, sondern auch viele andere Locations wie die Papierfabrik, das legendäre Underground, der Sensor Club, Jack Who und auch der Jungle Club. Eine besorgniserregende Entwicklung.

Welche Maßnahmen müssen unternommen werden, damit diese Form der Subkultur am Leben bleibt?

Der Dialog zwischen Stadt und Kulturszene muss besser werden, zudem muss der potenzielle Raum in den Städten auch einfach besser genutzt werden. Die Städte überlassen alte Fabrikhallen oder Bahnbögen lieber dem Verfall, anstatt sie der Kulturszene zur Verfügung zu stellen. Nach jahrelangen Herumgammeln sind die Immobilien oft in schlechtem Zustand und müssten aufwendig saniert werden. Ohne Hilfe der Stadt kann diese Kosten leider kein normaler Kulturschaffender stemmen – und wir erst recht nicht.

Andersrum dürfte es auch nicht so einfach sein, Clubs aus der Stadt zu verbannen. Da wünsche ich mir einfach mehr Akzeptanz, denn es wird gerne mal vergessen, dass Kultur sehr wichtig für eine Stadt und ihre Bevölkerung ist und auch immer sein wird.

Was verbindest du mit den Schuhen, die du gerade trägst?

Airmax waren schon immer ein treuer Begleiter in der Rave Szene. Mit den Schuhen, die ich gerade trage, verbinde ich wilde Partynächte, viel tanzen und Raves in meiner früheren Jugend. Der „oldschool“-Touch lässt einen definitiv auch nostalgisch werden, da kommen mir Videos von roughen UK Hardcore Partys aus den 90ern in den Kopf…

Was sind deine Wünsche für die Szene?

Mehr Akzeptanz der Kunst gegenüber. Zudem sollte jeder, egal ob Frau, Mann oder Divers, dieselben Chancen haben, sich etwas aufzubauen. Fleiß und Engagement sollten belohnt werden, denn die Kulturszene darf nicht zu elitär werden.

Gleichzeitig fände ich auch mehr Fixierung auf Musik und nicht irgendwelche Follower-Anzahlen besser, andersrum können auch die Musikern*innen und DJs noch deutlich mehr aus sich herausholen, denn viele springen gefühlt nur so hoch, wie sie müssen.

Wenn die jungen Künstler auch mehr Unterstützung und Rückendeckung bekommen, wagen sie sich auch nochmal ganz andere Sachen und das kann sich nur positiv auf die Szene und die Musik als solche auswirken. Mit der Phonovision und als DJ versuche ich meinen besten Teil dazu beizutragen!

Henry – Subway

Wo sind wir gerade?

Wir befinden uns in meinem (und eigentlich auch unserem) Lieblings-Underground-Keller:  dem Club Subway. Seit mehr als vier Jahren veranstalten wir hier die Phonovision Party. Vor der Pandemie war das hier quasi unsere Heimat.

Welches Lebensgefühl ziehst du aus der Rave-Bewegung?

Raves vermitteln für mich ein Gefühl von Freiheit, einfach loszulassen, seine Seele baumeln zu lassen und in der Akustik zu schwelgen – und das alles mit vielen tollen Menschen aus verschiedensten Kulturen und unterschiedlichsten Lebensweisen. Auf einem Rave kommen sie alle zusammen.

Welche Rolle spielen modische Accessoires wie der Nike Air 180 innerhalb des Genres?

Modische Accessoires wie der Air 180 sind seit den frühen 90ern auf Raves nicht mehr wegzudenken. Ähnlich wie die Outfits zu dieser Zeit, meist farbenfroh und abgefahren, bringt gerade dieser Colorway das Lebensgefühl ganz gut auf den Punkt. Zudem ist der Schuh komfortabel genug, um lange Nächte im Club zu meistern.

Wo siehst du die Zukunft der Clubszene?

Während der Pandemie wurden einige Clubs plattgemacht oder sind insolvent gegangen, jedoch hab ich das Gefühl dafür werden viele Clubs noch stärker aus der Krise zurückkommen. Da jetzt einige Betreiber durch Förderungen kleinere oder größere Umbauten tätigen konnten, bin ich gespannt, was uns erwartet, wenn es wieder losgeht

Ich hoffe, dass wir bald wieder alle zusammen im Club unsere Schuhe plattmachen können.

Xaver – Xavers Room

Was bedeutet für dich Phonovision?

Sehr viel! In erster Linie verbinde ich die Phonovision mit der Crew. Dabei ist zunächst einmal die Freundschaft von uns im Fokus. Hinzu kommt natürlich das gemeinsame, musikalische Interesse und die Arbeit für unsere Partyreihe. Dementsprechend verbinde ich mit der Phonovision auch alle Freunde und Menschen, die man vor dem Subway immer wieder antrifft. Im musikalischen Sinne, bedeutet Phonovision für mich der ultimativ vielfältige und zugleich signifikante Sound.

Ist dein eigener Keller ein guter Ersatz für den Club?

Leider nicht so ganz. Meine Nachbar*innen könnten jetzt gut was dazu sagen, denn der Keller hat sich innerhalb der Corona-Zeit für mich ganz gut als Ausweichmöglichkeit zum lauten Musik hören geeignet. Das ist aber nicht zu vergleichen mit der Atmosphäre und dem Gefühl im Club widerstehen zu können und alles was dazu gehört. Der Keller eignet sich jedoch perfekt, um entspannte Aufleg-Sessions mit Freunden zu machen.

Was gibt es dir, zu Hause aufzulegen?

Das macht schon sehr viel aus, da ich entweder nur für mich bin oder mit anderen einen guten Abend mit dem Auflegen verbringen kann. Aber auch Inspiration, Spaß und Entspannung. Sei es nach einem langen Tag ein bisschen zu zocken oder neue Mixes auszuprobieren.

Dein Schuh steht zu 100% für Berliner Techno. Wie würdest du den typischen Kölner Sound beschreiben? Und wie deinen eigenen?

Den typischen Kölner Sound würde ich als sehr durchmischt und teils auch innovativ beschreiben. Wobei sich vor allem einzelne Künstler*innen mit dem eigenen Sound immer wieder hervorheben. Der Kölner Sound kann sich aber auch sehr gut mit älteren Wellen identifizieren. Bei meinem eigenen Sound halte ich es ein wenig schneller und treibend und vermische auch gerne mal die verschiedenen Genres.

Wo siehst du die Szene in fünf Jahren?

Ich bin gespannt was sich tun wird 🙂 Es ist auf jeden Fall etwas im Gange und da zählt auch Köln zu.  Schwer das genau zu sagen, aber ich würde mich freuen, wenn sich die Szene weiterhin so bunt ausbaut.