Apparel - Juli 12, 2023

SHE KNOWS : SANAA ROUKIA, GRÜNDERIN des 33 CARATS MAGAZINE

This article is part 1 of 1 in the series: She Knows

Wie sieht es heute mit der Hip-Hop-Fachpresse aus? Sanaa Roukia, Gründerin und Chef-Redakteurin des sogenannten “blingzine de qualité” 33 Carats, ist Teil jener leidenschaftlichen Aktivistinnen, die beschlossen haben, sie wiederzubeleben – auf ihre eigene Art und Weise! Und zwar mit kreativen Inhalten, positiver Energie und den universellen Werten “Peace, Unity, Love and Having Fun”.

Im Rahmen der kürzlich erfolgten Herausgabe der sechsten Ausgabe –”sixième numéro” von 33 Carats hatte ich die Gelegenheit, mich mit Sanaa zu unterhalten und das Ergebnis ist sehr (sehr) cool: Leidenschaft, Hip-Hop, viel Arbeit und weibliche Emanzipation. She definitely knows!

Herbby : Was ist deine erste Erinnerung an Hip-Hop ?

Sanaa : Ich war 9 oder 10 Jahre alt und entdeckte Yo! MTV Raps im Kabelfernsehen. Ich kannte schon einige französische Rapper und dank dieser Sendung war mir sehr schnell klar, dass es sich um eine ganze Kultur handelte, die in den USA entstanden war. Die Videoclips, die ich sah, haben mich geprägt, vor allem Everything’s Gonna Be Alright von Naughty by Nature. Zum einen wegen des visuellen Storytellings, aber vor allem eigentlich wegen des sozialen Aspekts und der Vermittlung einer Botschaft.


Sanaa Roukia, Gründerin und Chefredakteurin von 33 Carats – Bildnachweis: @swelly_x auf Instagram

H : Wie hast du dich in diese multidisziplinäre Kultur verliebt?

S : Ich war wirklich begeistert von Hip-Hop in seiner Gesamtheit durch Rap, Musikclips aus dieser Zeit, Künstlerinnen und ihren Stil wie Mary J. Blige, Filme usw.. Die Filme von Spike Lee habe ich schon sehr früh gesehen, ohne sie unbedingt zu verstehen, aber ich wusste, dass auch sie Teil dieser Bewegung waren, die mich interessierte. Mein Vater war in der Musikbranche tätig, so dass ich wirklich voll und ganz in dieser Welt großgeworden bin.


Sechste Ausgabe -“sixième numéro” des Magazins 33 Carats – Bildnachweis : @swelly_x auf Instagram

H : Du hast das Kulturmagazin 33 Carats, dessen Chefredakteurin du auch bist, 2017 gegründet. Erzähle uns ein wenig über die Entstehungsgeschichte dieses Projekts: das Konzept , die Auswahl des Namens, die Hervorhebung des Hip-Hop, die Umstellung vom Digital-zum Papiermedium

S : Die ursprüngliche Idee entstand aus dem Wunsch heraus, auf meine Weise Teil der Hip-Hop-Kultur zu werden. Nach meinem Englischstudium habe ich eine Kommunikationsschule besucht und währenddessen ein Praktikum bei einer Zeitschrift absolviert, die gerade in Paris gegründet wurde, ich komme ja aus Nordfrankreich. Damals bin ich zu jedem Hip-Hop-Konzert gegangen: DJ Kool Herc, Tony Touch, Wu-Tang… und ich bin sogar zweimal auf die Bühne gestiegen! (lacht) Als ich bei Ghostface auf die Bühne stieg, entdeckte ich den Tourmanager des Wu, fragte ihn spontan nach einem Praktikum und kam so in sein Magazin, das sich allerdings nicht mit Hip-Hop beschäftigte. Und da wird mir bewußt, dass ich von Montag bis Sonntag arbeite, ohne dafür bezahlt zu werden, aber ich mache etwas, das ich liebe! Parallel dazu stellte ich mir als Frau, die sich in die Bewegung integrieren und einen Beitrag leisten wollte, viele Fragen, denn ich hatte den Eindruck, dass es sich um ein sehr frauenfeindliches Umfeld handelte, also stellte ich das alles erst einmal beiseite, und das war im Jahr 2004.

Zehn Jahre später, nach einem Aufenthalt in England, kehrte ich nach Frankreich zurück und beschloss, mich voll und ganz auf Hip-Hop zu konzentrieren, mit dem Ziel, dieser Bewegung als Frau ein Vermächtnis zu hinterlassen, indem ich ein einzigartiges Konzept erstellte. Ich gehöre nämlich genau zur Kultur der Digger: Ich mag es zu diggen, über Dinge zu sprechen, die man nicht sieht etc. Die Initialzündung kam, als ich 33 Jahre alt wurde, deshalb nannte ich das Konzept 33 Carats und begann damit, zu bloggen und über andere Fans zu schreiben, weil ich nicht zu meinem Wunsch stand, offen über Rap zu sprechen. Eines Tages stoße ich auf ein digitales Magazin, das man online durchblättern und lesen kann, und ich sage mir, dass dies genau das ist, was ich machen möchte! Und von diesem Moment an starten wir zu zweit, a la mano, mit Arya Haliba, im Autodidaktik-Modus. Am Ende ist dies genau das Richtige und wir veröffentlichen die erste Ausgabe.


On set mit Sanaa Roukia, Gründerin und Chefredakteurin von 33 Carats – Bildnachweis : @swelly_x auf Instagram

2017, 2018 kündige ich meinen Job und nehme das Studium wieder auf, um mein Geschäftsmodell in der Welt der Presse zu suchen und daran zu arbeiten. Im selben Jahr gründe ich die Agentur  La Zinerie und starte meine erste Kollaboration mit einer Marke, aus der ein Magazin hervorgeht, für das ich das gesamte Indesign, das Layout etc. gemanagt habe. Fast forward, während des Lockdowns beschließe ich, die Einnahmen aus meinen Tätigkeiten in ein Printmagazin mit dem Thema Abschalten und mit Phone Down von Erykah Badu als Hintergrundsound zu investieren. Am Ende führte ich dann sogar ein Interview mit Erykah Badu, was mich in der Idee bestärkte, die dritte Ausgabe in Papierform herauszubringen! Und von da an ging es Schlag auf Schlag…

H : Warum ist es dir wichtig, die Hip-Hop-Fachpresse 20 Jahre nach dem goldenen Zeitalter von Rap Mag, Radikal, Groove, RER und anderen wieder aufleben zu lassen?

S : Ich sehe mich wirklich an der Schnittstelle zwischen der Fachpresse der damaligen Zeit und der modernen Hip-Hop-Kultur, die Mainstream und leicht zugänglich ist, und halte dabei meine ursprüngliche Vorstellung eines “redaktionellen Mixtapes” weiterhin ein. Dies ist wirklich meine ganz eigene Ausdrucksform, mein eigenes Konzept: 33 Ausgaben des Magazins, die wie Sammlerstücke behandelt werden, und zwar in französischer und englischer Sprache.


On set mit Sanaa Roukia, Gründerin und Chefredakteurin von 33 Carats – Bildnachweis : @swelly_x auf Instagram

H : Im Rahmen der zahlreichen Interviews, die du seit der Veröffentlichung von 33 Carats geführt hast, hattest du insbesondere die Gelegenheit, dich mit Erykah Badu zu unterhalten! Erzähl uns etwas von diesem Erlebnis und vom abschließenden Artikel (der in der dritten Ausgabe – le troisième numéro – des Magazins verfügbar ist).

S : Das ist wirklich ein unvergesslicher Augenblick! Vor allem anderen ist Erykah Badu für mich eine absolute Ikone und Inspiration. Ich hätte nie damit gerechnet, dass ich sie bei diesem Projekt schon so bald interviewen könnte. 

Ursprünglich wollte ich mich mit der Illustratorin Jackie Musial unterhalten, die mit ihr gearbeitet hat, und eines Tages standen die Sterne plötzlich günstig! (lacht) Ich bin gerade dabei, Jackie zu interviewen, als sie mir sagt, dass sie noch Genehmigungen anfordern muss. Sie meldet sich wieder bei mir und sagt, dass es okay sei, über die Projekte mit Erykah Badu zu sprechen, und dass sie sogar bereit sei, an der Videokonferenz teilzunehmen, falls nötig… Wir befinden uns mitten im Lockdown, Jackie ist in Toronto, Erykah ist in Texas, ich bin in der Île-de-France und wir führen dieses denkwürdige Interview durch! Es war mir ja bekannt, dass Erykah Badu nur sehr wenige Interviews gibt, deshalb habe ich ihr auch keine Pressemappe geschickt, sie kennt mich nicht… Manchmal glaube ich wirklich noch, dass es ein Scherz ist! (lacht)

In dem Interview ging es hauptsächlich um ihre Affinität zur Modewelt und ihren Einfluss in diesem Bereich. Das war 2020 und drei Jahre später ziert sie als führende Referenz in dieser Szene das Cover der VOGUE. Am Ende sieht man die Macht des Digging und es ist lustig, sich vorzustellen, dass wir sie vor der VOGUE haben und in diesem Teil ihrer Karriere vor der VOGUE in den Vordergrund stellen konnten.


Bild des T-Shirts Voilà Coco x 33 Carats via @33caratsmagazine auf Instagram

H : Vor kurzem hast du in limitierter Auflage die sechste Ausgabe – le sixième numéro – von 33 Carats herausgebracht. Kannst du sie uns kurz vorstellen, ohne unseren Leserinnen und Lesern zu viel zu verraten?Wo kann man sie kaufen?

S : Ohne zu viel zu verraten, dann machen wir es also einfach. Das Cover ist ein exklusives Foto von Aaliyah, das der Fotograf Pascal Sacleux bei ihrem Auftritt in Paris im Oktober 1996 für das Magazin RER aufgenommen hat. Auf der Umschlagseite wird das Musikclip Pour Ceux der Mafia K’1 Fry gewürdigt, mit dem berühmten Leder aus jener Zeit, das von einer Gruppe junger weiblicher Künstlerinnen getragen wurde: “Pour Celles”! Im Innenteil des Magazins lautet das übergeordnete Thema “Die neue Ära der Frauen” und so haben wir uns bemüht, in dieser Ausgabe mehr Frauen ins Rampenlicht zu stellen, weshalb wir uns entschieden haben, mit dem Titelbild einer weiblichen Künstlerin hervorzustechen.

Das Magazin ist auf der Website von 33 Carats, im Palais de Tokyo, im Grand Jeu in Paris, im Restaurant Cornbread  in Marseille und beim unabhängigen Label Banc Public in Wien, Österreich, erhältlich!


Titelseite der sechsten Ausgabe- ”sixième numéro” – von 33 Carats über @33caratsmagazine auf Instagram

H : Wie du schon sagtest, findet man auf der Titelseite des Magazins ein Exklusivbild der Sängerin R&B Aaliyah in Paris. Kannst du näher auf das kulturelle und künstlerische Erbe dieser Ikone aus heutiger Sicht eingehen?

S : Zunächst einmal ist ihr Musikkatalog endlich auf den Streaming-Plattformen verfügbar, sodass ihr Name und ihre Kunst aktuell sind. Außerdem habe ich ihre Präsenz und ihre Arbeit mit Missy Elliott und Timbaland, ihre R&B- und Hip-Hop-Seite, die sich in den 2000er Jahren in der Branche stark entwickelt hat, und ihr multidisziplinäres Talent insbesondere in den Bereichen Film, Mode usw. sehr bewundert. Sie verkörpert umfassend und perfekt die aktuelle Rückkehr der 90er Jahre im Hip-Hop. Übrigens haben wir mit Maxime Delcourt, Autor des Buches The Neptunes & Timbaland: les beatmakers qui ont révolutionné la pop music, an einer Kolumne zusammengearbeitet, in der er über Aaliyahs Einfluss auf den heutigen R&B spricht.


Umschlagseite der sechsten Ausgabe – sixième numéro” – von 33 Carats über @33caratsmagazine auf Instagram

H : Auf der Umschlagseite des Covers glänzt die neue weibliche Hip-Hop-Generation, die mit dem ikonischen Leder der Mafia K’1 Fry ausgestattet ist. Die gleiche Frage wie bei Aaliyah: Kannst du näher auf das kulturelle und künstlerische Erbe der Mafia eingehen?

S : Dies ist für mich letztendlich eine sehr persönliche Auflage, denn für mich ist französischer Rap Ideal J! Dank des Albums  Le Combat Continue habe ich das Kollektiv der Mafia K’1 Fry verstanden und weiterverfolgt. Ihre Präsenz ist auch heute eindeutig noch vorhanden, angefangen bei den französischen Rap-Videos, der Allgegenwart von Mitgliedern wie Rim’K oder auch Kery James. Die Mafia ist letztlich immer noch präsent!

Ich habe mir immer gesagt, dass ich einen Leitartikel über sie schreiben werde, aber meine Herausforderung besteht eigentlich immer darin, etwas Originelles zu machen. Ich bin zufrieden mit dem Konzept “Pour Celles” mit dem emblematischen Leder der Crew und ich muss Papou, dem Designer des Leders, mit dem ich schon bei anderen Projekten zusammengearbeitet habe, noch einmal dafür danken, dass er uns für diese Kampagne sein Vertrauen geschenkt hat! Und dann fiel sie auch noch in denselben Zeitraum wie die Neuauflage des Leders in limitierter Auflage zum 20-jährigen Jubiläum. Wohl wissend, dass es uns wichtig war, nicht nur ein Lifestyle-Editorial zu machen, sondern junge Künstlerinnen in den Vordergrund zu stellen, die von der K’1 Fry Mafia inspiriert wurden und immer noch werden.


Einblick in die sechste Ausgabe – sixième numéro” – von 33 Carats über @33caratsmagazine auf Instagram

H : Was bedeutet für dich “She Knows” ?

S : Für mich hebt “She Knows” das Wissen und den Einfluss von Frauen in der Hip-Hop-Kultur hervor, der in vielfältiger Weise sichtbar wird: in der Musik, im Stil, in den Konzepten … Sie weiß, sie inspiriert und sie beeinflusst in allen Bereichen!


Sanaa Roukia, Gründerin und Chefredakteurin von 33 Carats – Bildnachweis : @swelly_x auf Instagram