In dem letzten Jahrzehnt gab es in der Sneaker-Welt einige Könige: Pharrell Williams, Kanye West und zuletzt Virgil Abloh. Im vergangenen Jahr tauchte dann – so ziemlich aus dem Nichts – Travis Scott auf und erhob seinen Anspruch auf den Thron. Auch mit seinem jüngsten Release, dem SB Dunk, konnte er mal wieder überzeugen.
Bei der Geschichte von Travis und Nike dreht sich alles um den richtigen Zeitpunkt: Im Großen und Ganzen fingen die Marke und der Künstler an zusammenzuarbeiten, als Travis zu Weltruhm gelang. Am erfolgreichsten war er, als “Astroworld” dreifach Platin gewann und Travis für das Beste Rap-Album, die beste Rap-Performance und den besten Rap-Song bei den Grammys 2019 nominiert wurde. Kurze Zeit später verzeichnete Travis Rekordzahlen beim Sneaker-Reselling und bis heute gibt es noch keine Anzeichen, dass seine Popularität nachlässt.
Dennoch gab es im letzten Jahr eine kurze Zeit, in der die Dinge ein wenig ins Wanken gerieten. Travis und Nike brachten die Jordan 6er im Oktober auf den Markt. Die Resale-Zahlen waren weniger beeindruckend als zuvor in der Vergangenheit. In nur wenigen Wochen halbierten (!) sich die durchschnittlichen Resaleprämien für alle Travis-Sneakers, so dass sie vom 6,7-fachen des Einzelhandelspreises auf das 3,6-fache fielen. Es lag definitiv eine gewisse Unsicherheit in der Luft. Diese konnte jedoch mit seinem letzten Release schnell beseitigt werden: Die SB Dunks haben eine sehr gute Chance, seine bisher meistverkauften Sneakers zu werden. In den ersten Wochen auf dem Markt lagen sie preislich bei dem achtfachen des ursprünglichen Einzelhandelspreises. Travis Scott x Nike sind also heiß begehrt wie eh und je.
Young LaFlame in Sicko-Mode
Travis Scott wurde in Houston als Jacques Berman Webster II geboren. Nachdem er sechs Jahre bei seiner Großmutter in Süd-Zentral-Houston wohnte, zog er zu seiner Mutter (arbeitete für Apple) und seinem Vater (ein Soul- und Jazzmusiker) nach Missouri City. Alles in allem also ein eher unspektakulärer Anfang. Heute – 20 Jahre später- ist er in aller Munde, wenn es um eine der besten Sneaker-Kollaboration aller Zeiten geht. Was genau ist also in der Zwischenzeit passiert?
In den vergangenen zwei Jahren hat Travis Scott die Sneakerwelt komplett auf den Kopf gestellt. Seine Drops sind zu den herausragendsten Modellen von Nike geworden, nachdem die Kollaborationen mit Off-White an Begehrtheit verloren hatten. Die Travis Scott Air Jordan 1 Retros verkauften sich für schlappe 1.700 Dollar auf dem Sekundärmarkt. Scotts Geschichte ist eine Geschichte, die viel mit dem richtigen Timing zu tun hat: Er benutzte Merchandise, um sich selbst zum Star zu machen. Die Geschichte seiner Sneakers ist in Wirklichkeit nur die Geschichte von ihm.
That’s just all he know, he don’t know nothin`else
Die Sneakers von Travis Scott folgen einer altbekannten Geschichte: Als Travis immer berühmter wurde, wurden auch seine Sneaker immer beliebter. Im Jahr 2013 veröffentlichte Cactus Jack sein erstes Mixtape in voller Länge (Owl Pharaoh). Drei Jahre später erschien schließlich sein erstes Nummer 1 -Album mit dem Titel Birds in the Trap Sing McKnight. Aber erst mit Astroworld (2018) kamen die Dinge richtig in Schwung, und das ist (nicht) zufällig der Zeitpunkt, an dem auch der Nike-Hype mehr und mehr an Fahrt gewann.
Astroworld – das dreifach mit Platin ausgezeichnet- und für drei Grammys nominiert wurde – erschien am 3. August 2018, genau eine Woche vor dem Release von Scotts Air Force 1 in Sail (aktueller Wiederverkaufswert: 1.000 US Dollar). Aber dies war nicht sein erster Release: Bereits zwei Monate zuvor kamen die blauen Wildleder Jordan 4s auf den Markt. Außerdem wurde seine Nike-Collab – der AF 100 – zum damaligen Zeitpunkt bereits für mehr als 1.000 USD + weiterverkauft.
Es war kein Zufall, dass sich Travis dazu entschloss, ein Paar Nikes nur eine Woche nach der Veröffentlichung seines musikalischen Lebenswerks zu releasen: Immerhin hatte er bis dahin schon demonstriert, wie man das Musikgeschäft dominiert. So beschrieb bereits Dan Runcie von Trapital im Detail, wie Scott seine täglichen Merch-Releases nutzte, um die Billboard-Charts zu erklimmen und sein eigenes Festival ohne Künstlerliste zu betreiben, nur um sich selbst einen hohen Markenwert zu verschaffen. Kurz gesagt, Young LaFlame ist nicht einfach nur ein Rapper: Er ist ein Imperium und seine Sneakers sind nur ein Teil davon.
Five hundred shoes for the drip I invest
So groß das Jahr 2018 für Travis war, 2019 war das Jahr, in dem sein Sneaker Game so richtig in Schwung kam. Nach einem holprigen Start mit dem Jordan 33, wurde der AJ1 Retro High im Mai umso mehr gehyped. Nike erlaubte Jacques den Swoosh einfach umzudrehen und eine kleine Klettverschlusstasche der Silhouette hinzuzufügen, die aber ansonsten gleich blieb. Die Sneakerwelt drehte durch.
Auch wenn die schwachen Zahlen des 33ers der Marke Travis Scott Anfang 2019 zwar nicht geholfen hatten, so machte der AJ1 Retro deutlich, dass dies tatsächlich nur ein kleiner Ausrutscher war. Tatsächlich waren die Wiederverkaufspreise für Travis Sneakers schon lange vor der Veröffentlichung des AJ1 angestiegen, trotz des mäßigen Erfolges des 33ers. Das folgende Diagramm zeigt für alle Travis Scott Sneakers seit 2017 den durchschnittlichen Anstieg des Wiederverkaufspreis – d.h. den Anstieg des relativen Wiederverkaufspreis im Vergleich zum Einzelhandelspreis.
Wie man sieht, ist die Veröffentlichung des AJ1 High im Mai 2019 der Zeitpunkt, an dem der Travis Scott Sneaker Resale-Preis auf ein neues Niveau explodierte. Auf dem Höhepunkt dieses Sommers erzielten alle Travis Scott x Nike Sneakers zusammen gesehen als Gruppe im Durchschnitt mehr als das 7-fache der Verkaufspreise. Das ist bei weitem die erfolgreichste Multi-Release Zusammenarbeit, die die Sneakerwelt je gesehen hat.
Natürlich hielt dieses Hoch nicht ewig an. Die nächsten beiden Releases nach dem AJ1-High – der AJ1-Low und der Jordan 6 – brachten diese hohen Resale-Zahlen wieder dem Boden der Tatsachen ein kleines Stückchen näher. Vor allem die Jordan 6er starteten im Resale nur beim dreifachen des Einzelhandelspreises. Der Durchschnittspreis lag bei ca. 750 US Dollar pro Paar.
Nun ist das Dreifache des Einzelhandelpreises für ein Paar Sneaker immer noch ziemlich happig. Diese damalige Kollaborationen von Cactus Jack konnten einfach nur dem bisherigen Hype der vorherigen Releases nicht ganz mithalten. Und so sanken im Laufe von ein paar Monaten die durchschnittlichen Resale-Preise für Travis Scotts auf etwa das Vierfache des Einzelhandelspreises. Das waren natürlich noch immer sehr gute Zahlen, aber kaum mehr als die Hälfte dessen, was sie zuvor waren.
I was hot as hell up in the heat
Als sich das Jahr 2019 dem Ende neigte, kursierten viele Fragen bezüglich der Zukunft der Marke Travis Scott, denn seine letzten beiden Releases wurden nicht in dem Ausmaß gehyped, wie der AJ1 High. Ein weiterer Release – eine dritte Version der AF1-Silhouette – wurde für noch weniger verkauft als die beiden vorherigen. Dies ist nicht das erste Mal, dass wir diese Geschichte hören: Nike x Off-White hatten ebenfalls Zeiten mit schwachen Zahlen, wie z.B. dem Vaporfly und Terra Kiger. Vielleicht war der Travis-Hype für eine ähnliche Abschwächung bestimmt.
Doch im Februar 2020 wurden diese Bedenken schnell ausgeräumt und die Resale-Zahlen stiegen auf ein ganz neues Niveau. Denn der SB Dunk Low Travis Scott hat sich als eine der am meisten gehypten Sneaker-Releases aller Zeiten erwiesen.
Bereits vor dem eigentlichen Release, stiegen die Resale-Preise des SB Dunk Lows astronomisch an – es gab Gebote auf StockX die weit über 1.000 US Dollar in fast jeder einzelnen Größe lagen. Aber hier ist der Clou: Da es sich um SBs und nicht um AF1s oder Jordans handelt, haben Dunks einen viel niedrigeren Einzelhandelspreis, der bei ca. 150 Dollar liegt. Ein Wiederverkaufspreis von 1.000 US Dollar ist als gut das 8-fache des Einzelhandelspreis, was (wieder) im Hyper-Hype-Bereich liegt.
Wenn du dir das vorherige Diagramm anschaust, kannst du sehen, welche Auswirkungen dies auf die durchschnittlichen Wiederverkaufszahlen von Travis hatte. Die Dunk-Zahlen drückten den gesamten Travis Durchschnitt auf fast das 7-fache des Einzelhandelspreises für alle Sneakers an – ein Allzeithoch.
I feel like I am chosen, I am covered in Gold
Es lohnt sich, einen Schritt zurückzugehen, um genau zu erkennen, wie historisch Travis Scotts Zahlen bei Nike waren. Die AJ1 Retro Highs – also die Sneakers, die das Jahr 2019 für die Marke änderten – sind die acht meistverkauften Air Jordan 1er in der Geschichte von StockX. Die anderen Jordan 1er auf dieser Top-Ten-Liste haben in der Regel recht niedrige Wiederverkaufspreise, was daran lag, dass es sie in einem wesentlich größeren Angebot ab: Die anderen neun Bestseller liegen im Durchschnitt bei rund 280 US Dollar, und keiner verkauft sich für mehr als 350 US Dollar. Aber der Travis Scott Jordan 1? Dieser hat einen durchschnittlichen Wiederverkaufspreis von 1.100 US Dollar. Einfach ausgedrückt: Man sieht selten einen Sneaker, der sich in einem so hohen Volumen verkauft – bis heute gab es über 25.000 Verkäufe auf Stock – und dabei weiterhin vierstellige Preise erzielt. Das kommt einfach nicht vor.
Natürlich sind es nicht nur die Jordan 1er. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels betrug der durchschnittliche Wiederverkaufspreis für alle Travis-Sneaker das 3,88-fache des Einzelhandelspreises. Das ist sogar noch höher als der durchschnittliche Preis für Off-White x Nike Sneakers, der derzeit beim 3,4 fachen des Einzelhandelspreises liegt. Nach 2018 sah es so aus, als würde niemand mit Virgils Performance auf dem Sekundärmarkt mithalten können. Aber Travis hat sie tatsächlich übertroffen. Dies ist zweifellos eine der beeindruckendsten Sneaker-Kooperationen, die es je gegeben hat.
Ein interessantes Detail, das man sich genauer anschauen sollte, ist Nike vs. Jordans. Wenn man einen genauen Blick auf die Zahlen wirft, stellt man fest, dass die Kollaborationen von Travis und der Marke Jordan im Durchschnitt besser abschneiden als seine Nike AF1 Kollaborationen.
Selbst wenn man die AJ1-Highs (der Ausreißer hier) außen vor lässt, arbeitet Travis mit Jordan immer noch besser zusammen als mit den üblichen Nike-Modellen.
I’m the highest in the room
Wir haben zwar Off-White erwähnt, aber wir sind trotzdem noch nicht ganz mit Virgil fertig. Denn es gibt hier noch ein klein wenig Ironie: beide, sowohl Travis Scott, als auch Virgil Abloh verdanken einen Großteil ihres frühen Erfolgs Rapper Kanye, aber deren Pfade, wenn es um ihre Sneaker-Marken geht, verlaufen in entgegengesetzte Richtung. Travis begann bei GOOD Music – dem Label von Kanye – während Virgil schon früh in seiner Karriere eine Art “kreativer Assistent” von Kayne war. Heute sind Travis und Virgil die Könige der Sneaker-Welt, während Yeezy sich mit einer Coming-of-Age-Reise beschäftigt.
Während sich die Marke von Travis weiterentwickelt, sieht es so aus, als hätte er bei Nike die Kurve gekriegt. Die SB Dunks sind die erste Kollaboration des Paares, die nicht auf irgendwelchen Nike-Kanälen (SNKRS-App, Nike.com usw.) veröffentlicht wurde. Stattdessen waren sie nur über die eigene Website von Travis sowie über Skateshops im ganzen Land erhältlich. Das ist eine große Sache: Es signalisiert Scotts zunehmende Macht als Celebrity. Dies ist vergleichbar mit Kanye, als dieser begann, seine Yeezys auf Yeezy Supply anstatt auf adidas.com zu veröffentlichen. Also behalte Travis im Auge, während er die Räder am Laufen hält.