Oktober 22, 2020

Aus der Szene: Mit Hikmet Sugoer

Lena Dietrich

Marketing Manager Germany

Schon seit 30 Jahren ist Hikmet Sugoer ein wichtiger Teil der deutschen Sneaker-Szene. Von der Gründung des ersten deutschen Boutique Stores Solebox, einer Vielzahl an Kollaborationen mit vielen großen Marken, bis hin zur Schaffung seiner eigenen Marke Sonra. Wir durften mit ihm sprechen...

Schon seit 30 Jahren ist Hikmet Sugoer ein wichtiger Teil der deutschen Sneaker-Szene. Von der Gründung des ersten deutschen Boutique Stores Solebox, einer Vielzahl an Kollaborationen mit vielen großen Marken, bis hin zur Schaffung seiner eigenen Marke Sonra. Wir durften mit ihm sprechen...

Vielen Dank, dass du dir die Zeit dafür nimmst uns heute Rede und Antwort zu stehen. Für die, die dich noch nicht kennen sollten, könntest du dich einmal kurz vorstellen?
Mein Name ist Hikmet Sugoer und ich habe seit ich denken kann mit Sportschuhen zu tun. 2002 eröffnete ich zusammen mit meinem Bruder Sükret den Store “Solebox” in Berlin. Damals arbeitete ich mit vielen Brands an tollen Projekten, wie zum Beispiel den Asics Gel Lyte III „The Sun“, den New Balance 1500 „Nazar“, „Purple Devil“, „Toothpaste“, den adidas Ultraboost, den Reebok „The Pump“ und viele, viele mehr. Ende 2015 verließ ich Solebox nachdem ich den Store an Snipes verkauft hatte. Anschließend – im Jahr 2016 – gründete ich meine eigene Marke SONRA.

Wann und wie hast du angefangen dich für Sneaker zu interessieren?
Bei mir fing die Leidenschaft für Sneaker während meiner Schulzeit an, die bei mir allerdings schon über 30 Jahre zurückliegt. Ich hab mich damals durch HipHop Musik beeinflussen lassen: EPMD, Public Enemy, LL Cool J, Beastie Boys, Run DMC, etc. haben damals den Look vorgegeben.  Leider war es nicht so einfach deren Style und die Outfits in Deutschland zu bekommen. Schließlich gab es zu der Zeit das Internet nicht, wie wir es heute kennen. 

Foto von Hikmet Sugoer


Wir haben gelesen, dass du mittlerweile ca. 800 Paar Sneaker besitzt. Welches Paar ist dein Holy Grail und warum?
Für mich ist mein Holy Grail mein “Ich-brauch-keinen-anderen-Schuh-mehr”-Schuh und damit das letzte Puzzleteil, mit dem ich meine Sammlung gerne abschließen würde.  Dieser Schuh war und ist bis heute der Nike Mag. Idealerweise in der Self-Lacing Version. Wobei ich den 2011er auch nehmen würde. Ich hoffe ständig auf einen Preis-Drop auf StockX. Bisher leider ohne Erfolg.

Du bist seit langem Teil der deutschen Sneakerkultur und hast verfolgen können, wie sie sich über die Jahre entwickelt hat. Welche Bereiche der Kultur beeinflussen die deutsche Sneaker-Szene?
Die Frage ist natürlich nicht pauschal zu beantworten. Zu meiner Zeit war es auf jeden Fall in erster Linie die Musik. Wir hatten Rockabillys, Popper, HipHoper, Skater, Punks, etc. HipHop war damals noch recht Underground und längst nicht so populär wie heute. Damals war ich total begeistert vom Style der Typen, die meine Lieblingsmusik gemacht haben. Auch Basketball war sehr beliebt, weshalb Schuhe wie adidas Ewings, Rivalrys und Nike Flights und Jordans bei uns sehr gefragt waren.

Sicher ist der Einfluss von diesen Feldern heute auch noch anzuwenden. Musiker wir Travis, Kanye, Pharrell haben viel in dem Segment getan und die Zielgruppen erobert. Aber ich denke, dass insbesondere die deutsche Sneakerkultur in den letzten Jahren im internationalen Vergleich stark vom Resalemarkt beeinflusst wurde. Flex over Style in meinen Augen. Sprich: Hype und der Resellwert sind wichtiger als je zuvor. Individualität ist hingegen stark zurückgegangen. Sicherlich ist das irgendwie meine subjektive Sicht der Dinge.  Aber ich denke, dass man sowas sicher auch statistisch belegen kann.

ABER: Ich möchte nicht, dass man mich hier missversteht. Ich finde es toll, dass es eine Entwicklung gibt. Und es ist schön zu sehen, dass viele neue Leute das Thema Sneaker für sich entdecken, egal ob jung oder alt. Sportschuhe sind jetzt Sneaker und massenkompatibel. Das prollige Dasein ist in den Hintergrund gerückt, sodass Sneaker mittlerweile Teil der hohen Fashionindustrie geworden sind und damit aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken sind.

Hikmet Sugoer Berlin

Foto via Sneakers-Magazine

Du bist in Berlin aufgewachsen und lebst noch immer dort. Kann man Berlin als die deutsche Sneaker-Hauptstadt bezeichnen und wenn ja, was zeichnet sie aus?
Als echter Berliner bin ich sicher ein wenig patriotisch, wenn es um meine Stadt geht. Aber wenn ich das Ganze objektiv betrachte, würde ich Berlin stets als Ausnahmestadt in Deutschland sehen. Berlin ist so vielfältig,  schnell und international. Die Stadt hat früh die Grundsteine der deutschen Sneakerkultur für den Rest Deutschlands gesetzt. Wir mussten uns nie vor den anderen Metropolen wie New York, London, Paris und Tokyo verstecken.  Darum würde ich behaupten, das Berlin DIE Quelle deutscher Sneakerkultur ist.

Findest du, dass die Berliner Sneaker und Streetwear-Szene/-Kultur sich von der in anderen deutschen Städten wie München oder Köln unterscheidet? Und wenn ja, wo liegen die Unterschiede?
Heute betrachtet sind kaum noch Unterschiede vorhanden. Und das weltweit. Ich bezeichne das als “MCDonalds”-Phänomen, denn durch die Globalisierung und die einfache Beschaffung von Medien gibt es kaum noch regionale Unterschiede. Der Einfluss ist omnipresent vorgegeben durch Social Media. Es gibt kaum noch versteckte Trends/Styles was dazu führt, dass viele die Looks anderer Menschen kopieren. Riskieren und eigene Styles zu tragen – insbesondere im Sneakerlifestyle – trauen sich nur wenige. Die wahren „Influencer“ sind für mich Jungs und Mädels, die Schuhe und Styles kombinieren, wie sie Bock haben und sich nicht zu sehr vom vorgegebenen Rahmen beeinflussen lassen. Oft belächelt, aber für mich die Helden der heutigen Zeit. 

Du warst in den letzten 20 Jahren an diversen Projekten beteiligt. Was waren deine bisher größten Meilensteine auf deinem bisherigen Weg?
Ich denke der größte Meilenstein war sicher einen „Sneaker Store“ in Deutschland aufzumachen, der es geschafft hat über die Landesgrenzen hinaus bekannt zu werden und lange Zeit sogar auf der internationalen Bühne unter den Top 10 war.  Alle meine Projekte damals waren eigentlich Underdog Projekte. Ich habe mit Brands an Styles gearbeitet, die in der Regel relativ ungefragt waren.  New Balance war 2005 in Deutschland unvorstellbar. Asics Gel war einer der ersten Gel Projekte überhaupt. Saucony kannte kaum jemand. Was ich damit sagen möchte: Ich habe nicht davon profitiert, das eine Silhouette bereits gehyped war oder die Marke zu der Zeit wie geschnitten Brot ging. Es war meine Arbeit, die viel zum Projekt beigetragen hat.  Allerdings gab es doch ein Projekt, welches gehyped war: Und zwar der Ultra Boost. Dies war eines meiner letzten Projekte für Solebox bevor ich gegangen bin. Als ich den Schuh gemacht hatte, standen Ultra Boost im Sale. Glücklicherweise war Kanye West gerade zu adidas gewechselt und trug den “All White“. Dies war aus meiner Sicht der Startschuss für den Boost im Bereich Lifestyle und der Grund für den Hype um mein Projekt.

Was hat dich inspiriert, deine eigene Marke zu schaffen? Und was macht Sonra einzigartig im Vergleich zu Sneakern anderer Marken?
Nachdem ich Solebox verlassen hatte, war ich das erste Mal in meinem Leben arbeitslos. Das war wohl die größte Motivation wieder etwas zu machen. Solebox war ja bereits eine internationale Brand. Ich hätte damals gerne Lifestyle-Produkte in jeglicher Richtung unter dem Schirm der Marke gemacht. Aber das sollte nicht sein. Also musste was neues, eigenes her: SONRA. Ich denke der wichtigste Punkt neben fairer Produktion, Nachhaltigkeit und Qualität ist die starke Verbindung zur Community. Ich bin ein Teil dieser Community und mit ihr auf Augenhöhe. Ich liebe Sportschuhe, genau wie auch meine Kunden.

Wenn man bedenkt, dass es kaum etwas gibt, was du noch nicht gemacht hast – die Gründung von Solebox, spannende Kooperationen mit anderen Marken, ein eigenes Sneaker-Event, deine eigene Marke und nun auch dein eigener Podcast — was ist dein nächstes Ziel?
Ich mache mir ehrlich gesagt nie darüber Gedanken was ich bereits gemacht- oder erreicht habe. Ich hab einfach immer nur gemacht ohne mir viel einen Kopf darüber zu zerbrechen. Hier muss ich aber auch einen Punkt erwähnen: Ich hatte nicht nur Erfolg im Leben. In der Vergangenheit bin ich sehr of „hingefallen“, habe aber gelernt „aufzustehen“ und daraus zu lernen. Es ist mir wichtig, dass Leute nicht nur meine Endergebnisse sehen. Denn nur weil man die Niederlagen nicht zeigt, heisst es nicht, dass es sie nicht gibt.  Aber um die eigentliche Frage zu beantworten: Ich arbeite an weiteren Modellen für SONRA und tollen Kollabo Projekten mit anderen Marken.

Abseits von Sneakern und Lifestyle versuche ich mehr und mehr meinen Einfluss auch in wichtige Dinge einzubringen. Auf Missstände aufmerksam zu machen. Zu helfen und für Menschen da zu sein, die es nicht so leicht haben.

Hiermit auch ein danke an meine Familie und alle, die mich Tag ein und Tag aus unterstützen.

Porsche Design x Sonra

Die neueste Sonra Kollaboration: Porsche Design x Sonra. Foto von Hikmet Sugoer

Wir würden gerne mehr über dich erfahren.  Wenn du dir bis zu 5 Sneaker aussuchen müsstest, die eine besondere Bedeutung für dich haben, welche würdest wählen ?
Jedes meiner Projekte war und ist für mich etwas besonderes. In jedem dieser Projekte steckt viel Arbeit, Emotion, schlaflose Nächte und noch viel mehr.
Aber da ich mich nur auf 5 von knapp 100 Projekten beschränken soll, wähle ich die Folgenden:

Grafik von Matt Kyte

1. New Balance 1500 GGB

Meine allererste Kollabo mit New Balance. Der 1500 GGB wird immer etwas Besonderes für mich sein. Sowas wie der Glückstaler von Dagobert Duck.
New Balance war die erste Marke, die an mich geglaubt hat. Dicht gefolgt von Puma.

Nike Mag2. Nike Mag Back to the future

Der Nike Mag ist für mich das beste Product Placement ever gewesen. Ich kann mich noch deutlich daran erinnern als ich im Kino saß und mir die Kinnlade runtergefallen ist, als ich den Schuh gesehen habe. Hammer.

Sonra Proto Bae

3. Sonra Proto Bae 1.0

Mein erster SONRA Schuh. Der BAE 1.0 ist für mich ein neuer Lebensabschnitt gewesen. Meine eigene Marke. Mein eigener Schuh. Mein eigener Colorway.


4. Highsnobiety X Mizuno Wave Rider

Mein erstes Projekt mit einer anderen Marke nachdem ich Solebox verlassen hatte. Leider vergaßen die Marken mit denen ich lange Jahre (Jahrzehnte) zusammengearbeitet hatte nach meinem Weggang jegliche Loyalität und entschieden sich dazu nicht mehr mit mir zu kollaborieren. Das war etwas, was mich sehr getroffen hatte.
Highsnobiety gab mir wieder die Möglichkeit mit einer Sportswear Brand zusammenzuarbeiten:  Phoenix aus der Asche (so hab ich den Schuh auch genannt).

5. Sonra & Puma Suede

Das Projekt bedeutet mir sehr viel und zeigt von großer Loyalität.
Nach unserem ersten Projekt in 2007 auf dem Clyde, durfte ich 11 Jahre später zum Jubiläum vom Suede mit meiner eigenen Marke dieses Projekt realisieren. Das hat mir gezeigt, dass die Welt doch noch in Ordnung ist. Danke an PUMA !