Sneakers - August 25, 2020

Collector's Hype: Alexander Koban

In unserer neuen Rubrik betrachten wir verschiedene Hype-Themen aus der Sicht der Leute, die sie am besten kennen müssten: die Sammler.

In unserer neuen Rubrik betrachten wir verschiedene Hype-Themen aus der Sicht der Leute, die sie am besten kennen müssten: die Sammler.

Von Rami Eiserfey

Den Anfang macht Alexander Koban, seines Zeichens langjähriger Sneakersammler und Experte auf dem Gebiet Flyknit und HTM. Wir haben mit ihm über seine liebsten Items des Design-Trios gesprochen und einen Blick in seine Sammlung geworfen.

Sammler Alexander Koban

StockX: Wann hast du angefangen dich für Sneaker zu interessieren?
Koban: Alles begann als ich Basketball Mitte der 90er für mich entdeckte. Durch den Sender DSF wurde ich zwangsläufig auf die NBA aufmerksam. Mich faszinierte auch das ganze drum herum: der Lifestyle, die Musik und natürlich die Schuhe. So fing ich früh an mich für die unterschiedlichen Styles von Stars wie Michael Jordan, Dennis Rodman oder Detlef Schrempf zu interessieren. Als dann weitere, jüngere Spieler wie Kobe Bryant und Allen Iverson in die Liga kamen und die Vielfalt an Stilen und Sneakern größer wurde, eiferte ich in meiner aktiven Vereinszeit den damaligen NBA-Ikonen in Spielstil und Schuhwerk nach. Ab da holte ich mir jede Saison mindestens ein Paar Baskteball-Sneaker von meinem hart gesparten Taschengeld. Als ich Ende der 90er mit Zeitungsaustragen anfing wurden es jedes Jahr mehr, bis ich zu meiner Prime Time 2001-2004 bei meinen Teammitgliedern dafür bekannt war, in einer Saison aus rund fünf verschiedenen Sneakern auswählen zu können – das sorgte damals schon bei manchen für Kopfschütteln. 2005 wechselte dann mein Fokus vom amerikanisch geprägten Lifestyle der Baggypants, Hip-Hop und High Tops erstmals hin zu europäischer Mode und Live- und Clubmusik. Eine Zeit lang interessierte ich mich gar nicht mehr für Sneaker, bis ich 2009 durch farbenfrohe Asics Retro-Runner meine Sammelleidenschaft abseits des Hardwoods für Lifestyle-Sneaker wiederentdeckte und bis heute intensiv und über viele Silhouetten und Brands auslebe.

StockX: Wie viele Paare hast du insgesamt? Hast du eine Lieblingsmarke?
Koban: Ich besitze aktuell ca. 150 Paare nachdem ich mich im ersten Halbjahr 2020 von knapp 200 Paaren platztechnisch verabschiedet habe. Meine Lieblingsmarke ist eindeutig Nike.

StockX: Wenn du deine komplette Sammlung bewerten müsstest, was für ein Marktwerk befindet sich in deinem Schuhschrank?
Koban: Das ist schwer zu sagen, weil man zwischen damaligen Kaufpreis, aktuellem Marktwert und liquiden Interessenten abwägen muss. Ich würde sagen für einen guten deutschen Mittelklassewagen in der Grundausstattung sollte es reichen.

StockX: Gibt es Holy Grails, die du gerne hättest, aber noch nicht gekauft hast?
Koban: Jein. Ich hatte von seltenen Adidas-Collabs wie den ZX9000 Wood Wood, den 577 „Kakkerlak“ von New Balance, Nike Parra x Patta, der Asics Ronnie Fieg „Cove“ oder „Salmon Toe 1.0“ alles, was die letzten 15 Jahre für mich unter Holy Grails fällt. Dabei investierte ich sehr viel Geld, kriegte aber erstaunlicherweise noch mehr zurück beim Verkauf jener Schuhe. An sich gibt es keinen Schuh, den ich begehrt habe, aber nie hatte, bis auf einen. An diesen Flyknit heranzukommen ist faktisch unmöglich, weil es angeblich nur 15 Paare weltweit und 4 Paare in meiner Größe gibt. Ich rede vom Nike Lunar Flyknit Sample im weißgrundierten Multicolor Colorway, der nur für die „Independent Olympic Athletes (IOA)“ der olympischen Spiele 2012 in London entworfen und an diese von Nike persönlich herausgegeben wurde. Ich kenne einen Sammler aus Hongkong, der meine Größe noch deadstock bei sich liegen hat. Leider weiß ich auch, dass er einem der besagten 15 Athleten 10.000 Dollar bezahlt hat, um an den Schuh zu kommen und ich bin nicht bereit so viel Geld jemals für ein Paar Schuhe auszugeben. Ich bin aber im Kontakt mit ihm, mal sehen was sich arrangieren lässt.

StockX: Wenn du nur einen Sneaker aus deiner Sammlung mit auf eine einsame Insel nehmen könntest, welcher wäre es?
Koban: Ich würde definitiv das „Negativ“ des IOAs mitnehmen, den schwarz grundierten Nike Lunar Flyknit HTM SP „Milano“ Multicolor, einer von 48 Paaren weltweit, mein absoluter Liebling unter den HTMs.

StockX: Was ist die erste Erinnerung, die du mit einem HTM-Projekt verbindest?
Koban: Genau dieser Nike Lunar Flyknit „Milano“, der 2013 in London und Mailand erschien und von dem es weltweit nur 48 Paare gibt. 2012 hatte ich bei der Einführung von Nikes neuester Innovation „Flyknit“ bereits mitbekommen, dass in London und New York die ersten HTM Flyknit Racer und Lunar in strenger Auflage (50 Paar Racer und 100 Paar Lunar) erschienen. Zu der Zeit genossen aber noch Kollaborationen von Ronnie Fieg mit der klassischen Runner Silhouette des Ascis Gel-Lyte III oder Patta mit dem Nike Air Max 1 meine vollste Sammleraufmerksamkeit. Als ich Anfang 2013 die ersten Produktbilder des farbenfrohen HTM Trios aus Lunar Flyknit, Racer Flyknit und Woven Inneva sah, war ich von diesen futuristischen und innovativen Laufschuhen so fasziniert, dass ich wissen wollte, was hinter HTM eigentlich steckt und wie man an diese so seltenen Flyknitmodelle herankommt.

Foto von Alexander Koban

StockX: Was macht die einzelnen Akteure aus dem HTM-Trio so besonders?
Koban: Hiroshi Fujiwara, Tinker Hatfield und Mark Parker haben alle drei die Marke Nike geprägt. Über Tinker Hatfield muss man glaub ich nicht viel erzählen. Die meisten wissen, dass er die bahnbrechendsten Designs für Nike wie mit Air Max 1 oder Jordan Brand entworfen hat und als Architekt der Marke Nike gilt. Hiroshi Fujiwara gilt insbesondere bei Techwear-Fans als Gründer der modernen Streetwear. Als junger Musiker und DJ hat er Anfang der 80er seine Begeisterung für Design und Mode durch den frühen Einfluss der Hip Hop-Kultur aus den USA und ihren Lifestyle entwickelt und so den Anstoß für seine funktionalen und innovativen Kreationen in der Modewelt gelegt. Ohne Mark Parker wäre Nike nicht da, wo sie heute sind. Er ist als ehemaliger Designer und CEO von Nike für die Einführung von nachhaltigen Stoffen in Produkten in den 2000ern verantwortlich, lange bevor es den aktuell Nachhaltigkeitsboom gab. Darüber hinaus hat er an Kampagnen wie ACG festgehalten, als diese Firmen intern bereits abgeschrieben waren – wie man heute sieht mit Erfolg. ACG als Outdoormarke ist seit mehr als 30 Jahren die erfolgreichste Sitebrand von Nike. HTM verbindet die Kompetenzen aller drei und vereint sie zur Speerspitze von Innovation und Design bei Nike.

StockX: Obwohl HTM für viele Sammler noch eine Liebhaber-Projekt ist, werden die Modelle zum Teil für das Vielfache ihres Retail-Preises veräußert. Wie erklärst du dir diesen Hype?
Koban: Viele Schuhe, die in den letzten 20 Jahren unter dem Titel HTM erschienen sind, wurden als Prototypen veröffentlicht, um die Resonanz der Konsumenten zu erproben. Da die Modelle oftmals streng limitiert waren, wurden sie bei entsprechender Akzeptanz auf einmal sehr begehrt. Die Designs der modernen Flyknits und die knappe Verfügbarkeit mit Releases in Weltmetropolen wie New York, London, Paris und Mailand lösten bedingt durch den explodierenden Sneakerhype vor rund acht Jahren eine enorme Hysterie bei Sammlern aus, die bis 2015 sehr intensiv anhielt. Zum Vergleich dazu kannte man HTM Mitte der 2000er nur durch sehr unkonventionelle Modelle, wie den Woven Chukka oder Footscape, welche seinerzeit nur eine Hand voll von Sammlern als Fanbase hatten. Seit Mitte der 2010er sind auch diese Modelle oder die ersten HTMs mit dem Air Force 1, der in einer Replik von Reptilienhaut umhüllt ist, im Wert gestiegen. Zusammengefasst würde ich sagen, dass HTM vor rund acht Jahren das Glück hatte, ganz oben auf der Welle des Sneakerhypes dank Social Media surfen zu dürfen. HTMs, wie der „Milano“ oder die „Racer“ USA und 001 waren die ersten Sneaker nach dem Staple Pigeon Dunk, die sehr rasch vierstellige Resellpreise erreichten. Für viele ist HTM mit einem „Sample“-Branding gleichzusetzen.

StockX: Auf StockX werden vor allem die Modelle mit Kobe für wahnsinnige Summen verkauft. Denkst du, dass HTM häufiger Basketballschuhe designen sollte
Koban: Ehrlich gesagt, nein. Abgesehen davon, dass alle Kobe Schuhe Anfang 2020 aufgrund des tragischen Tods von „Beans“ wieder in die Höhe geschnellt sind, konnte ich mich nie mit dem HTM-Branding auf Basketballschuhen wie dem Kobe IX und X anfreunden. Das lag wahrscheinlich weniger an HTM als daran, dass die Nike Kobe Designs mir seit Mitte der 2000er nicht mehr so gefallen haben. Die sahen für mich mehr nach Handballschuhen als nach Basketballschuhen aus. Der Grund, weshalb die Kobe IX und X-Reihe mit HTM von Nike veredelt wurde, liegt auf der Hand. 2014 wollte man den ersten Basketballschuh mit dem mittlerweile etablierten Flyknit-Upper veröffentlichen, also Griff man auch hier zum HTM-Prototype-Rezept. Eine Runner-ähnliche Silhouette wie die des Kobe IX low kamen da wohl eher in Frage als klassische Basketball High-Tops.

Foto von Alexander Koban

StockX: Wie stehst du zu den Solo-Projekten von Hiroshi Fujiwara, die unter seinem Label „Fragment Design“ laufen?
Koban: Finde ich sehr stark. Einer meiner „most underrated“ Lieblingsschuhe ist der Nike Sock Dart. Ich hatte mal den „Oreo“ von Fragment Design. Von Cole Haan gibt es auch eine Fragment Design Collab. Finde das geprägte Logo stark, suche aber immer noch den schwarzen Lunargrand Wingtip in einer US 10. Randnotiz: auch wenn ich das geprägte Logo mit den Blitzen stark finde, so rechtfertigt das für mich keine 2.000 Euro für einen Jordan 1 im gängigen schwarz/weiß/blauen Colorway.

StockX: Gibt es zudem Silhouetten von Tinker Hatfield, die dir besonders ans Herz gewachsen sind?
Koban: Unpopular opinion, der Jordan XI.  Es gab glaub ich damals keinen besseren Zeitpunkt für Tinker Hatfield als das Comeback von Michael Jordan mit so einem futuristischen Schuh aus Lackleder und sichtbarer Carbon-Mittelfußunterstützung zu unterstreichen. 25 Jahre später wirkt der XIer für mich immer noch zeitlos und ist einer meiner absoluten Lieblings-Basketballschuhe aller Zeiten.

StockX: Wenn du deine 3 liebsten HTM-Modelle nennen müsstest, welche wären das?
Koban: Der Lunar Flyknit „Milano“ aufgrund des detailreichen und farbenfrohen Knit-Uppers, der Lunar Flyknit „Volt 100“, in meinem Fall „47 of 100“ aufgrund der individuellen Prägung auf der Zunge und dem atemberaubenden Colorblocking zwischen Schwarz/Weiß und Neongelb. Zu guter Letzt, kann ich mich nicht zwischen einem der beiden Racer entscheiden, also nehme ich beide, 001 und USA, auch wegen der individuell geprägten Prägung auf der Zunge und den knalligen Farben Orange und Blau mit Flywire in auffälligen Kontrastfarben.

Foto von Alexander Koban

StockX: HTM diente zudem oft als Ideenschmiede und Testphase für unveröffentlichte Designs, wie zum Beispiel bei dem Sock Dart. Welches HTM-Konzept hätte aus deiner Sicht mehr Beachtung verdient bzw. sollte als Blaupause für ein Inline-Produkt dienen?
Koban: Der Air Woven. Hier gab es nach dem OG HTM Rainbow von 2004 und den unifarbenen, aber unbeliebten HTM Chukkas, eine Weiterentwicklung, die 2010 von Sophnet mit einem atemberaubenden Multicolor Chukka auf einer Lunar-Sohle, dem ganzen nochmal Leben einhauchte, aber irgendwie nach der Übernahme von Flyknit auf Lunar-Sohlen und dem Spin-Off mit dem Woven Inneva nicht mehr erfolgreich weiterentwickelt wurde. Es kamen zwar vor ein paar Jahren die OG Air Woven nochmal als Retro heraus, ich weiß auch, dass Hikmet ein großer Fan von den Dingern ist, leider konnte der Schuh in der heutigen Zeit keinen Anschluss mehr finden. Der Versuch von Nike dem Woven Chukka vor drei Jahren eine 360 Air-Sohle anzuschnallen ist meiner Meinung nach auch kläglich gescheitert. Ich würde mir wünschen, dass man an einem neuen Low- oder Mid-Top arbeiten würde und der Lunar-Sohle neues Leben und mehr Beständigkeit einverleiben würde.

StockX: Wer hätte aus deiner Sicht ein Anrecht sich dem Trio anzuschließen?
Koban: Definitiv nicht Virgil Abloh oder Travis Scott. Eventuell Jun Takahashi, der als Undercover-Gründer bei Nike erst vor ein paar Jahren die „Gyakusou“ Performance-Reihe ins Leben gerufen hat. Irgendwie wurde HTM nicht zuletzt nach dem Ausscheiden von Mark Parker als CEO und dem Flopp mit den Air Max-Modellen 2016 beerdigt und seitdem wird auf das neue Performance-orientierte Konzept von Gyakusou gesetzt. Dabei werden ganzheitliche Designs entworfen, nicht nur die Veredelung von brandaktuellen Nike Running-Schuhen, sondern die komplette Techwear Ausrüstung für Läufer. Finde ich sehr spannend, auch wenn die Pieces teilweise sehr extravagant sind.

StockX: Wenn du dir ein HTM-Modell wünschen könntest, wie würde der Sneaker aussehen?
Koban: Da HTM für mich immer mehr Performance als Lifeytsle orientiert ist, würde ich eine Neuauflage eines Konzepts bei aktuellen Performance-Schuhen wie dem Next% Vaporfly oder Alphafly cool finden. Gyakusou hat bereits einen Vaporfly mit Sample-Bildern angeteasert. Der Colorway ist mit Rostbraun, Beige und Dunkelblau an die aktuelle CI angelehnt, warum also nicht den Alphafly mit seinem neuen innovativen „Atomknit“ in einem Milano angelehnten Multicolor-Gewebe und weißer Zoom-X Midsole, welche an die alte Lunar-Sohle angelehnt ist, als Hommage an die erfolgreiche Nike Flyknit Zeit rausbringen und den Sockliner noch mit einem der simpelsten, aber wie ich finde, geilsten Logos mit HTM veredeln. Der derzeit schnellste Schuh der Welt, von Eliud Kipchoge beim nächsten Marathonweltrekord getragen, im Gewand der einstigen Prototype-Schmiede von Hiroshi, Tinker und Mark. Da würde mein Herz aufgehen.